Nanostrukturen haben den richtigen Dreh raus

  • Author:

    Tatjana Erkert

  • Date: 14.11.2011

Nanostrukturen haben den richtigen Dreh raus

Dr. Michael Thiel im Labor bei der Arbeit mit dem Direkten Laserschreiber.
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme bichiraler Kristalle, die mittels Direktem Laserschreiben hergestellt wurden.

KIT-Doktorandenpreis für Dr. Michael Thiel im Kompetenzbereich "Materie und Materialien"

Dr. Michael Thiel erhielt für seine Arbeiten am Institut für Angewandte Physik und am CFN den KIT-Doktorandenpreis im Kompetenzbereich "Materie und Materialien". Thiel setzte sich in seiner Dissertation mit "Design, Herstellung und Charakterisierung dreidimensionaler chiraler Photonischer Kristalle" auseinander.

Seit den bahnbrechenden Veröffentlichungen von Eli Yablonovitch und Sajeev John im Jahr 1984 faszinieren dreidimensionale Photonische Kristalle die Fachwelt. Die Möglichkeit Licht in diesen Materialien zu manipulieren, zu lenken oder gar einzufangen, ist bis dato die Motivation vieler Wissenschaftler das ganze Potenzial von Photonischen Kristallen zu erforschen.

In der Optik ist seit Langem bekannt, dass Licht gerade dann eine starke Wechselwirkung mit solchen Kristallen zeigt, wenn deren Gitterkonstante nahe der Lichtwellenlängen liegt. Die Nanotechnologie ermöglicht es, solche Architekturen nun gezielt herzustellen, bei denen die optischen Effekte wesentlich stärker auftreten können als bei natürlichen Materialien.
Chirale Photonische Kristalle, die Thiel am KIT erzeugt und untersucht hat, bestehen aus "Molekülen mit Drehsinn", die - ähnlich wie natürliche Kristalle - in periodischen Raumgittern angeordnet sind. Zuckerlösung ist ein natürliches chirales Medium, das im Physikpraktikum gerne für optische Experimente verwendet wird. Licht, das in diese Lösung eintritt, wird an jedem Zuckermolekül ein wenig gedreht. Durch das Drehen eines Analysators kann man die veränderte Ausrichtung der Lichtpolarisation messen und damit den molekularen Drehsinn bestimmen.
Chiralität ist ein wichtiges Grundprinzip in der Natur. Der Begriff Chiralität leitet sich vom griechischem "χείρ" für Hand ab und kann mit Händigkeit übersetzt werden. Mithilfe der Hände kann die Bedeutung von Chiralität auch am einfachsten erklärt werden. Gespiegelt ergibt die linke und die rechte Hand jeweils die andere. Beide Hände können jedoch nicht durch Verschieben zur Deckung gebracht werden. Einfach gesagt: Der linke Handschuh passt nicht auf die rechte Hand. Ein Molekül ist also dann chiral, wenn es mit seinem Spiegelbild nicht zur Deckung zu bringen ist. Ähnlich wie bei Händen wird links und rechts unterschieden, sodass bei chiralen Molekülen und Materialien von rechts- und linksdrehend gesprochen wird.

Thiel studierte die verschiedenen fundamentalen Wechselwirkungen zwischen polarisiertem Licht und chiralen Photonischen Kristallen an mehreren maßgearbeiteten Architekturen, die er mithilfe der Technik des "Direkten Laserschreibens" herstellte. Dabei überprüfte er auch die Wirkung von rechts- und linksdrehenden Strukturen und baute beispielsweise "bichirale" Photonische Kristalle. Er kombinierte rechts- mit linksdrehenden Elementen in allen drei Raumrichtungen, wodurch sich vier unterschiedliche Typen bichiraler Kristalle ergaben: links-links, rechts-rechts, links-rechts und rechts-links. Seine Experimente bewiesen, dass gerade Kombinationen, die nicht in der Natur vorkommen, die stärksten Effekte aufweisen. Basierend auf den Ergebnissen seiner Doktorarbeit wurde auch das Herstellungsverfahren des dreidimensionalen Direkten Laserschreibens in Kooperation mit der Carl Zeiss AG und der Nanoscribe GmbH wesentlich verbessert.

Einen ersten Einblick in die Welt dieser Materialien bietet der Artikel "Künstliche chirale Materialien: Wenn das Licht den Dreh raus hat" von Michael Thiel et al. in der Zeitschrift Physik in unserer Zeit, Heft 2/ 2011. Wer sich für alle erprobten Möglichkeiten und technischen Details des verbesserten Direkten Laserschreibens interessiert, findet diese auf der Homepage von Nanoscribe.

Werdegang Dr. Michael Thiel

Dr. Michael Thiel studierte am KIT Physik und promovierte 2010 mit Auszeichnung. Bereits während seiner Promotion gründete er 2007 mit Prof. Martin Wegener, Dr. Georg von Freymann und Martin Hermatschweiler die Nanoscribe GmbH, eine KIT-Ausgründung. Thiel ist dort heute aktiver Gesellschafter in der Entwicklungsabteilung und arbeiten an der Fortentwicklung des Herstellungsverfahrens. Weiterhin kooperiert er mit Wissenschaftlern des KIT zu aktuellen Forschungsthemen.

2007 erhielt der Physiker gemeinsam mit den Mitgründern der Nanoscribe GmbH den Otto-Haxel-Preis, der vom Freundeskreis des Forschungszentrums Karlsruhe e.V. für "eine besondere wissenschaftliche Leistung, die wirksam zur industriellen Innovation beiträgt," verliehen wird. 2009 durfte er den Raith Student Prize auf der PECSVIII Konferenz in Sydney entgegennehmen und nun in 2011 den KIT-Doktorandenpreis.

KIT-Doktorandenpreis
Mit dem Doktorandenpreis würdigt das Karlsruhe House of Young Scientists (KHYS) den hohen Stellenwert des wissenschaftlichen Nachwuchses am Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der mit seinen Leistungen wesentlich zum Erfolg der Universität beiträgt. Honoriert werden herausragende Promotionen in den sechs KIT-Kompetenzbereichen: Materie und Materialien; Angewandte Lebenswissenschaften; Erde und Umwelt; Technik, Kultur und Gesellschaft; Information, Kommunikation und Organisation; Systeme und Prozesse. Der Preis wird jährlich im Rahmen der Akademischen Jahresfeier des KIT vergeben und ist mit insgesamt mit 12.000 Euro dotiert.